An der Ludwig-Erhard-Schule in Sigmaringen finden derzeit Workshops mit dem Motto „Das haben wir noch nie erlebt…“ statt.
Was hat uns das letzte Jahr gebracht? „Selbstakzeptanz“, „weniger brauchen“ und „besser alleine zurechtkommen“. Diese Antworten erwartet man vielleicht nicht in erster Linie, wenn man an die Corona-Krise denkt, die uns nun schon so lange in ihren Krallen hält. Und doch scheint sich hinter dem Berg von Problemen, die beispielsweise das Home-Schooling und die soziale Isolation vor uns auftürmen, ein Entwicklungspotential zu verbergen.
Sabrina Idler, die Schulsozialarbeiterin der Ludwig-Erhard-Schule Sigmaringen, möchte den Erfahrungen der Schüler einen Raum geben und führt dazu derzeit mit verschiedenen Klassen den Workshop „Das haben wir noch nie erlebt…“ durch.
In einer Online-Konferenz präsentierte sie den Schülerinnen und Schülern der Klasse 12a und der Lehrerin Frau Braun dabei zunächst Bilder der Krise, die für sie einprägend waren. Man tauchte nochmals ein in den Beginn mit all den Erinnerungen: „Am Anfang war es total interessant, fast aufregend: Die Schule bleibt geschlossen, so was gab es ja noch nie“, sagte eine Schülerin. Doch dann? Ein eher unschönes Erwachen: „Sich nicht mehr mit den Freunden treffen dürfen? Ich dachte, das soll ein schlechter Witz sein!“. Auch wurde durch die Schülerbeiträge deutlich, dass vor allem die Trennung von Oma und Opa für viele sehr schmerzlich war und immer noch ist. Bedrückend wurde in diesem Zusammenhang auch von Schuldgefühlen und der Angst berichtet, die geliebten Großeltern anzustecken, wenn diese es nicht mehr ohne ihre Enkel ausgehalten haben.
Nach der ersten Welle kam die Zweite. Und inzwischen befinden wir uns in der dritten Welle der Pandemie und sind davon längst gestresst. Die Tagesstruktur ist Dank Online-Unterricht nach Stundenplan zwar besser als im ersten Lockdown, doch fühlen sich viele Schülerinnen und Schüler von der Flut der Aufgaben und anstehenden Klassenarbeiten erdrückt. Nur zu gut kennen die Workshop Teilnehmer die körperlichen und psychischen Auswirkungen von Stress durch eigene Erfahrungen: Kopfweh, Bauchweh, Depressionen und Schlafstörungen sind keine Seltenheit. Und dies ist laut Sabrina Idler durchaus nachvollziehbar und erklärbar: Wurden wir durch die Krise doch regelrecht aus unserer „Komfortzone“ gerissen, obwohl eben diese bestenfalls nur Schritt für Schritt verlassen werden sollte. Allerdings bietet dieser Wurf ins kalte Wasser die große Chance zur Weiterentwicklung, sie kann richtig produktiv machen. Wir können neue Erfahrungen machen getreu dem Motto „Gefordert aber nicht überfordert“. Die Folge? Unsere Komfortzone weitet sich aus, wir können uns auch in der neuen Situation wohl fühlen.
Dies schaffen nicht alle Menschen gleichermaßen und doch hat die Umfrage in der Klasse Erstaunliches zu Tage gebracht. Vom Gärtnern, das neu entdeckt wurde, bis hin zu besseren Computerkenntnissen wurde berichtet. Neben all den bekannten negativen Auswirkungen der Pandemie, denen wir alle nun schon so lange unterworfen sind, gibt es also auch Positives zu berichten. Gelernt zu haben, mit sich selbst zurecht zu kommen und sich Dinge eigenständig zu erarbeiten, war eine ganz zentrale Botschaft der Klasse. Für die Studierfähigkeit der Schüler ist diese Eigenschaft durchaus wichtig. So konnte der Workshop trotz der vielen Befürchtungen und Einschränkungen dieser Zeit mit einem hoffnungsvollen Ausblick enden.